Der erste Hausbesuch erfolgt mit der Hausärztin. Die 88jährige mit den langen fedrigen grauen Haaren öffnet uns die Tür. Sie geht uns voraus durch die Küche in ihren Lebensraum: ein kleines Wohnzimmer, in dem sie tagein tagaus auf ihrem Sofa sitzt. Manchmal sieht sie fern. Sie liest gerne Groschenromane. Und sie macht ihren Haushalt noch komplett selbst.
Vor kurzem ist sie in der Wohnung gefallen. Das wurde wohl erst nach einem Tag entdeckt. So lange hat sie hilflos in der eigenen Wohnung auf dem Boden gelegen.
8 Tage lag sie im Krankenhaus. Jetzt will die Ärztin mit ihr weitersehen.
Ein schwieriges Unterfangen.
Die alte Dame hat wohl große Angst, dass man sie "ins Altenheim tun" könnte. Sie betont, dass sie alles selbst macht. Wir sollten uns nur umsehen, es sei alles sauber und adrett. Ein Mann, der mal als Handwerker im Haus war, kauft einmal im Monat mit ihr zusammen ein. Eine Nachbarin schaut ab und an nach ihr und erledigt das ein oder andere Bürokratische.
Genug ist das bei weitem nicht.
Der Mann ist vor vielen Jahren verstorben. Die beiden waren kinderlos.
Alle Geschwister sind verstorben. Im vergangenen Jahr starb die beste Freundin, die in der Nachbarschaft lebte.
Nichten und Neffen gibt es, aber der letzte Besuch war vor zwei Jahren.
Die alte Dame hat kein Telefon. Da gerät man wohl schneller in Vergessenheit.
Wir von ZAPUH sollen uns um einen Hausnotruf kümmern, vielleicht mit ihr mal schauen, wie es um eine Betreuung steht. Die Ärztin - auch ein Teil von ZAPUH - regt an, dass Frau Blume (Name redaktionell) einen Pflegegrad bekommt. (Auch wenn wir die Aussicht darauf als recht gering ansehen, weil sie wirklich noch fast alles selbst macht.)
Der Fachmann vom Hausnotruf kommt am nächsten Tag. Keine Pflegestufe, kein Festnetzanschluss. Das sind gleich mehr Kosten für den Anschluss... Und dann die Frage, wer denn auf die Notrufanlage geschaltet sein soll...
Eine Betreuung kommt nur in Frage, wenn Frau Blume einsieht, dass sie das nötig hat. Ihre Angst vor dem Verlust der Selbständigkeit wird dem entgegenstehen.
Wir von ZAPUH versuchen, uns diesen Situationen zu stellen. Aber natürlich nur, wenn irgendwer aktiv auf uns zukommt und uns auf Nöte aufmerksam macht.
Heute geht eine Ehrenamtliche hin, um Schlüssel für Haustür und Wohnungstür nachmachen zu lassen...
Vielleicht verhindert der Notruf, der installiert wird, den nächsten unnötigen Krankenhausaufenthalt...
Aber was ist mit den vielen Alten, nach denen niemand sieht?
Wo bleiben die Ideen für ein aktives Aufsuchen von Menschen, um deren Hilfebedarfe zu ermitteln und unbürokratisch tätig zu werden?
Am Beispiel von Frau Blume kann man ablesen, wie sehr Menschen im Alter auf Unterstützung angewiesen sind.
Uns fehlt ein Gemeindeschwester-Modell, das solche Versorgungssituationen stemmen kann. In Rheinland-Pfalz gibt es seit 2015 ein Modellprojekt, das dem nahe kommt, was es braucht: ein neues Angebot für hochbetagte Menschen, die noch keine Pflege brauchen, sondern Beratung und Unterstützung in ihrem Lebensabschnitt. Aufsuchende Hilfe nannte man das früher auch. Eine Kümmererin - keine Pflegekraft.
(https://msagd.rlp.de/ar/unsere-themen/aeltere-menschen/gemeindeschwesterplus/)
Die Ausführungen klingen manchmal schon wieder nach zu viel Bürokratie: nur hinweisen auf..., nichts tun...
Uns schwebt eher vor, mit Herz und Hand unterwegs zu sein... Konkret. Unterstützend. Nachhaltig. Vernetzt.